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Neuer Zugang zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts

Die Musikgeschichtliche Kommission bereitet unter dem Titel „Deutsche Musik im europäischen Kontext 1806-1914“ ein neues langfristiges Editions-Vorhaben vor. Die VolkswagenStiftung und die Fritz Thyssen Stiftung unterstützen mit Fördergeldern in Höhe von ca. 600.000 € drei Pilotprojekte zur Vorbereitung des neuen Forschungsvorhabens.

Ziel des Vorhabens ist eine ‚andere Vermessung‘ der Musik des 19. Jahrhunderts. Jenseits der traditionellen Komponisten-Gesamtausgaben sollen signifikante Werke in neuen kulturhistorischen Kontexten ediert werden. Die philologisch sorgfältig erstellten Editionen sollen in umfassende Dokumentationen eingebettet sein; gedruckte Notenbände werden von Materialien in einer online-Datenbank sowie von Musikbeispielen begleitet. Dieses online-Portal soll für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitet sein.

Die drei geförderten Pilotprojekte konzentrieren sich auf die Bereiche Oratorium, Kammermusik und Orchestermusik und sollen die Tragfähigkeit des Konzepts zeigen: „Großbesetzte deutschsprachige Chormusik im 19. Jahrhundert“ (Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg), „Brahms gewidmet“ (Brahms-Institut an der Musikhochschule Lübeck) und „Die Konzertouvertüre im Zeitalter Mendelssohns“ (Musikwissenschaftliches Institut der Universität Marburg). Die verantwortlichen Projektleiter sind Prof. Dr. Wolfgang Horn (Regensburg), Prof. Dr. Wolfgang Sandberger (Lübeck) und Prof. Dr. Lothar Schmidt (Marburg).

Das Pilotprojekt „Großbesetzte deutschsprachige Chormusik im 19. Jahrhundert“ greift exemplarisch das Werk „Frithjof“ op. 23 (1864) für Vokalsoli, Männerchor und Orchester von Max Bruch (1838-1920) heraus, das aufgrund von existierendem Skizzenmaterial philologisch besonders interessant ist. Oratorische Musik partizipiert durch ihre Texte wie durch die beteiligten Institutionen – Chöre, Verlage, Musikfeste, Presse – direkt an der Bildungs- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts. „Frithjof“ wird in Bruchs Oratorienschaffen eingebunden; weitergefasster Kontext ist das oratorische Komponieren im 19. Jahrhundert insgesamt.

Das Projekt „Brahms gewidmet“ konzentriert sich auf vier der etwa 100 gedruckten Werke, die Johannes Brahms zu Lebzeiten zugeeignet wurden. Brahms galt seinen Zeitgenossen als zentrale Figur der kammermusikalischen Tradition, im Parteienstreit um die Zukunftsmusik wurde er als Identifikationsfigur verstanden – als „kammermusikalisches Bollwerk“ gegen die symphonische Dichtung von Liszt und das monumentale Musikdrama Wagners. Somit sind die vier im Projekt stehenden Kammermusik-Werke von Robert Fuchs, Hermann Götz, Bernhard Scholz und Josef Suk auch als komplexe Positionsbestimmungen zu verstehen: zum Widmungsträger Brahms und zum historischen Horizont, in dem sich die Werke entfalten.

Das dritte Pilotprojekt „Die Konzertouvertüre im Zeitalter Mendelssohns“ untersucht die Genese eines innovativen, aber bei näherem Hinsehen als Gattung im traditionellen Sinn schwer zu fassenden Genres der Orchestermusik, das sowohl für die Sinfonik um die Mitte des 19. Jahrhunderts wie auch für die Programmusik in der zweiten Jahrhunderthälfte von größter Bedeutung wurde. Dabei stehen vor allem Fragen nach dem institutionengeschichtlichen Kontext (wie der Funktion der Ouvertüre im Rahmen der Gestaltung von Konzertprogrammen und Transferprozessen aus Oper und Schauspielmusik) und solche nach der Kanonbildung im Zentrum.

Die 1953 gegründete Musikgeschichtliche Kommission geht auf die gleichnamige im Wilhelminischen Kaiserreich gegründete Organisation zurück, die zunächst die „Denkmäler deutscher Tonkunst“ und dann das Projekt „Erbe deutscher Musik“ veröffentlichte. Jetzt will sich die Kommission mit dem geplanten Vorhaben „Deutsche Musik im europäischen Kontext 1806 – 1914“ neu aufstellen.  (September 2012)

Die Musikgeschichtliche Kommission hat auf ihrer Jahresversammlung im März 2012 einen neuen Vorstand gewählt. Neuer Vorsitzender ist Prof. Dr. Wolfgang Horn, Regensburg; neuer stellvertretender Vorsitzender ist Prof. Dr. Wolfgang Sandberger, Lübeck. Die Schatzmeisterin, Dr. Jutta Schmoll-Barthel, wurde in ihrem Amt bestätigt. Die Kommission hat weiterhin Dr. Reiner Nägele, Leiter der Musikabteilung der Bayerischen Staatsbibliothek München, zum neuen Mitglied gewählt.

Am 28. Februar 2011 fand in Kassel ein Internationales Arbeitsgespräch  zum Vorhaben ‚Musik in Deutschland, 1800-1950‘ statt. Die Initiative  dazu ging von der VolkswagenStiftung aus, die auch die Kosten übernommen  hat. Diskutiert wurden die Grundzüge des Vorhabens, mögliche  Modifizierungen sowie mögliche Pilotprojekte. Neben den Mitgliedern der  Musikgeschichtlichen Kommission haben an diesem Arbeitsgespräch  teilgenommen Dr. Wilhelm Krull und Dr. Vera Szöllösi-Brenig von der  VolkswagenStiftung, Jürgen Chr. Regge von der Fritz Thyssen Stiftung,  Köln, sowie Dr. Andreas Hoffmann von der ZEIT-Stiftung. Als auswärtige  Experten wirkten mit Prof. Dr. Karol Berger, Stanford University, Prof.  Dr. Gernot Gruber, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Prof.  Dr. Reinhard Strohm, Oxford University, und Prof. Dr. Christoph Wolff,  Harvard University. Das Arbeitsgespräch fand in produktiver Atmosphäre  statt, die Resultate werden demnächst an dieser Stelle publiziert.

Aus Anlass des Umzugs des Deutschen Musikgeschichtlichen Archivs hat Ton Koopman am Montag, dem 8. Juni 2009, in der Bärenreiter-Bibliothek ein Benefizkonzert mit Werken von J. P. Sweelinck, P. Cornet, einem Anonymus, D. Buxtehude, J. Haydn und W. A. Mozart  gegeben. Dr. Dieter Rexroth, der künstlerische Leiter der Kasseler Musiktage, führte zu Beginn des Konzertes ein Gespräch mit dem Künstler.

Foto: Paavo Blåfield

Die Musikgeschichtliche Kommission hat auf ihrer Sitzung am 2. März 2009 Prof. Dr. Wolfgang Sandberger, Lübeck, zu ihrem neuen Mitglied gewählt.

Das Deutsche Musikgeschichtliche Archiv hat neue Räumlichkeiten bezogen. Nach mehr als 20 Jahren an der Gießbergstraße in Kassel befindet sich das Archiv nun in der Heinrich-Schütz-Allee 35 in Kassel-Wilhelmshöhe. Die neuen Räume, die ebenso modern sind wie hervorragend ausgestattet, befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Bärenreiter-Verlages und bieten einen ganz neuen Benutzungskomfort. Dank des Entgegenkommens der Leitung des Bärenreiter-Verlages konnte diese höchst erfreuliche Lösung verwirklicht werden.

Die Musikgeschichtliche Kommission hat auf ihrer Sitzung am 3. März 2008 Prof. Dr. Wolfgang Horn zum neuen Editionsleiter der Reihe Das Erbe deutscher Musik bestimmt. Die Redaktion wird von Tübingen nach Regensburg übersiedeln. Der bisherige Editionsleiter wird für die noch in den vergangenen Jahren geplanten Bände weiterhin die Verantwortung tragen.

Mit Ende des Jahres 2007 hat die Union der Akademien der Wissenschaften die Finanzierung der Editionsreihe Das Erbe deutscher Musik eingestellt. Während des 18. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft/International Musicological Society, der im Juli 2007 in Zürich stattfand, wurde das zu einer Feierstunde genutzt. Der Editionsleiter, Prof. Dr. Martin Staehelin, hat dort noch einmal die herausragende Bedeutung des Unternehmens gewürdigt. Im Rahmen der Feierstunde wurden Streichquartette von Friedrich Ernst Fesca aufgeführt. Die Musikgeschichtliche Kommission ist derzeit bemüht, für eine Fortsetzung des Unternehmens Sorge zu tragen, freilich in einem reduzierten finanziellen und institutionellen Rahmen.

Vom Umgang mit Quellen – Unter diesem Titel fand anlässlich des 50. Gründungstages der MgK am Freitag, 26. September 2003, in der Musikhochschule Lübeck – im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Musikforschung – ein Symposium statt. Die Beiträge sind in der Zeitschrift “Die Musikforschung”, 2004, Heft 4, veröffentlicht worden:

  • Laurenz Lütteken, Zürich: Vom Umgang mit Quellen (S. 329-332)
  • Otto Gerhard Oexle, Göttingen: Was ist eine historische Quelle? (S. 332-350)
  • Axel Gellhaus, Aachen: Balzacs Hausmantel oder: Textprozesse und ihre Bedeutung für die Erschließung komplexer poetischer Strukturen (S. 351-362)
  • Anselm Gerhard, Bern: Für den “Butterladen” oder das “practische Leben”? Denkmalsidee und Gesamtausgaben in der Musikgeschichte vor 1850 (S. 363-382)
  • Peter Gülke, Freiburg: Nachruf auf den Urtext? (S. 383-388).